Universale Mystik

Der Buddhadharma ist ein nicht-dualistischer Ansatz der religiösen und spirituellen Praxis, der über innere Reinigung, Transformations-Praktiken und die Vertiefungen (Jhanas) zu einer tiefgreifenden Verwandlung führen kann. Einen solchen Weg der Erfahrungen und inneren Transformation, aus der heraus dann die Aktivität in der Welt erfolgt, gibt es in jeder Religion und wird als Mystik bezeichnet. Nicht-Dualität bedeutet hier, dass es keine Zweiheit gibt, sondern dass der wahre Meister in uns selbst ist - der Buddha bzw. der Dharma in uns, den wir sozusagen freilegen müssen, indem die Kleshas, die Herzenstrübungen beseitigt werden.

Der Buddha ist diesen Weg gegangen und hat ihn dann in der letztendlichen Befreiung des großen Loslassens, im Nirvana transzendiert. Denn er erkannte, dass mystische Erfahrungen den Weg zur Befreiung ebnen, aber noch nicht der letzte Schritt sind. Erst das große Loslassen, das Aufgeben jeglicher Anhaftung öffnet das Tor zur Todlosigkeit, zum Aufgehen im So-sein, das jedes Sein transzendiert. 

Der christliche Mystiker würde sagen, das Loslassen öffnet das Tor zum endgültigen Aufgehen in Gott oder von Gott in dir. Dabei ist zu beachten, dass der Gott der Mystiker kein "persönlicher Gott" ist, sondern ein Name für die transzendente, nonduale Wahrheit. Sie wird in Indien auch Parabrahman genannt, also "über Gott hinausgehend". – Gott, Nirvana, Leerheit sind in der christlichen und indischen Mystik Synonyme, die das auszudrücken versuchen, was jenseits der Worte und jenseits unseres menschlichen Verstandes liegt. 

Der Buddha hat für Nirvana die Begriffe Merkmallosigkeit, Formlosigkeit, Todlosigkeit verwendet. Aber auch Losgelöstheit und damit höchste Glückseligkeit, Frieden. Diese Bezeichnungen finden wir auch bei christlichen Mystikern und bei den Meistern des indischen Advaita, der Lehre der Nicht-Dualität. Dabei bedeutet Nicht-Dualität hier die Einheit von Gottheit, der absoluten unnennbaren Wirklichkeit, und Selbst, einem Selbst, das im höchsten Verständnis Paramatman genannt wird, also über jede Vorstellung von einem Selbst hinausgehend.

Buddha und Christus werden beide als Mystiker bezeichnet und ebenso hohe Meister aus anderen Religionen. Ihnen folgten viele verwirklichte Mystiker in Europa und in Asien.

Das Interesse an diesem mystischen Weg entspringt einer tiefen inneren Motivation, einer innigen Hinwendung zum Göttlichen Licht in uns oder, wie wir es buddhistisch ausdrücken, zum Buddha in uns, und der aus der Tiefe unseres Herzens entspringenden Sehnsucht nach der höchsten, transzendenten Wirklichkeit - unserer "wahren Heimat".

Aber nicht alle Mystiker gehen den ganzen Weg. Viele halten an mystischen Erfahrungen fest, manche auch an der Vorstellung von einem Selbst, das aus buddhistischer Sicht noch nicht die letztendliche Wahrheit sein kann. 

Letztendliche Wahrheit kann daran erkannt werden, dass Erfahrungen transzendiert werden und die Erkenntnisse übereinstimmen. Hier setzt die buddhistische und universale Tiefe der Mystik an, von der ich spreche. Hier treffen sich die Verwirklichten aller Traditionen. Verwendete Worte, um das zu beschreiben, können unterschiedlich klingen, da sie verschiedenen religiösen Traditionen entstammen. Aber ihr Sinngehalt ist unverkennbar derselbe.

 

 

Non-Dualität

 

Ani Karma Tsultrim